
Beikosteinführung ohne Druck und Stress
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Hallo, mein Name ist Nora Imlau und ich begrüße euch ganz herzlich zu meinem Vortrag hier beim Pumpkin Organics Kids Ernährungs Summit und ich spreche heute über das Thema Beikosteinführung ohne Druck und Stress.
Das ist ein Thema, das mir persönlich auch sehr am Herzen liegt. Ich bin ja selbst Mutter von vier Kindern und habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass gerade die Zeit des Übergangs vom ausschließlichen Stillens oder natürlich auch Fläschchen geben bis hin zum Beikost geben für viele Familien, insbesondere für viele Mütter, muss man so sagen, echt eine stressige Zeit ist, weil da dann oft ganz viele gefühlte Erwartungen, Regeln, Anforderungen auf einmal auf einen einprasseln, bei denen man als Elternteil – vor allem beim ersten Kind, aber auch bei weiteren Kindern – oft das Gefühl haben kann, sehr viel falsch zu machen, wenn man nicht sich exakt an Fahrpläne hält oder wenn das eigene Baby nicht so ist, wie das in all den Plänen steht. Und das ist eher die Regel als die Ausnahme.
Es ist ja so, dass wir als Eltern oft Tipps bekommen, wie wir bestimmte Dinge mit unseren Kindern tun sollen. Und diese Tipps hören sich immer total logisch an, solange man noch kein Kind hat. Das gibt es auch beim Thema Schlafen. Dann wird einem gesagt: Legen Sie Ihr Baby wach, aber müde in sein Bettchen. Dort wird es gut einschlafen. Man denkt so: Ja, macht Sinn. Und dann probiert man das, sein Baby wach, aber müde hinzulegen. Und das Baby weint und schläft eben nicht alleine ein und braucht eben Körperkontakt und Rückversicherung. Man merkt: Okay, diese Anleitung scheint irgendwie nicht für mein Kind geschrieben zu sein.
Und ähnlich ist es beim Thema Beikoststart auch. Wir lesen und hören, wir sollten um den sechsten Monat herum anfangen, wobei auch da wir tatsächlich unterschiedliche Empfehlungen bekommen – manche sagen unbedingt schon mit fünf Monaten anfangen, manche Hebammen sagen lieber bisschen später als bisschen früher anfangen, die Kinderärzt:innen sagen es oft umgekehrt. Und dann wird uns oft gesagt, wir müssen erst mal mit einem Gemüsebrei anfangen und dann muss der Gemüsebrei zum Gemüsefleischbrei werden. Und dann müssen wir Mahlzeit für Mahlzeit ersetzen. Und das Baby soll dabei mitmachen.
Und es gibt Babys, denen entspricht dieser Plan und die kommen da total gut mit klar. Aber sehr, sehr viele Babys sind anders, weil Kinder kleine Individuen sind. Es gibt Kinder, die verweigern den Brei und spucken ihn uns entgegen. Es gibt Babys, die mögen schon Brei, aber nicht den, der eigentlich für sie gerade in unserem Plan vorgesehen ist. Es gibt Babys, die essen wahnsinnig schnell sehr viel. Es gibt Babys – viele Babys – die bis zum ersten Geburtstag und darüber hinaus nur absolute Spatzenportionen essen, sodass von einem Ersetzen von Mahlzeiten gar nicht die Rede sein kann.
Und schließlich gibt es dann auch noch den Druck, den viele Eltern spüren, alles, was Babyernährung angeht, perfekt machen zu müssen. Und perfekt gemacht heißt gerade in unseren Breiten oft selbstgemacht. Das heißt, der Anspruch sehr vieler Eltern ist, ihr Kind eben nicht mit Gläschen zu füttern, nicht mit Breien, die man anrühren kann, keine Hilfsmittel, keine Abkürzungen zu benutzen, sondern tagtäglich in der Küche zu stehen und mit viel Liebe Obst und Gemüse und alle möglichen anderen Dinge zu verarbeiten, um frische, gesunde Babykost herzustellen.
Natürlich, wenn einem das Spaß macht und man hat die Ressourcen dafür, das Kind isst das gerne, man hat Freude daran – spricht überhaupt nichts dagegen, Babynahrung selbst herzustellen. Aber in der letzten Zeit hat sich in uns, in unserer Gesellschaft teilweise dieses Bild durchgesetzt, dass nur selbstgemachte Babykost quasi gute Babykost sei und alles andere allenfalls eine Notlösung. Und dass man seinem Kind da schon was zumutet, wenn man nicht alles selber macht. Und das ist einfach Unsinn.
Für Babynahrung gelten in Deutschland höchste Qualitätsstandards. Da darf man nicht einfach irgendwas auf den Markt bringen. Und man kann selbstverständlich ein Baby auch ausschließlich mit gekaufter Babykost wunderbar groß kriegen. Und die allermeisten Eltern setzen ja in ihrem Alltag auf eine Mischung. Das heißt, ab und zu mal machen sie was selber oder sie verarbeiten etwas, was sie für sich selbst gekocht haben – Kartoffeln als Beilage zu einem Essen in einer kleinen Dosis, eben auch zu einem Brei oder zu Fingerfood für ihr Kind. Und das ist wunderbar. Und da gibt es überhaupt keinen Grund für Schuldgefühle.
Es ist tatsächlich nicht der Goldstandard guter Elternschaft, komplett auf Unterstützung beim Beikoststart und auf Produkte für Babys zu verzichten, sondern es ist total legitim und oft sehr, sehr nervenschonend für Familien, wenn sie sich selbst die Erlaubnis geben zu sagen: Wir dürfen es uns bei diesem Beikostweg auch leicht machen. Und alle Lebensmittel, die es da so gibt, die wir auch erwerben können und die uns helfen können, ungestresst und mit Freude und mit Genuss mit unserem Kind in diese Welt des Essens zu starten, sind dafür wunderbar, legitim und gut – und es ist gut, dass es sie gibt.
Um noch mal so ein bisschen tiefer einzusteigen in diesen Beikoststress und woher der kommt und was der uns auch sagt über die Vorstellungen guter Elternschaft in unserer Gesellschaft und wie wir uns von diesem Druck lösen können, möchte ich noch mal ganz kurz den Blick weiten dafür, wie in anderen Kulturen Kinder essen lernen.
Das ist nämlich keinesfalls eine universale weltweite Regel, dass alle Kinder mit fünf Monaten Karottenbrei bekommen, sondern im Gegenteil: Je nachdem, in welche Kultur wir schauen, wird der Beikoststart sehr unterschiedlich gehandhabt. Es gibt Inuit-Kinder, die bekommen als allererste Beikost nach der Muttermilch Fischfett. Und es ist in Indien beispielsweise üblich, dass Kinder durch die starken Gewürze in der Nahrung schon über die Muttermilch sich so stark an auch scharf gewürzte Essen gewöhnt haben – die Muttermilch enthält diese Gewürze in kleinen Dosen – dass sie direkt mit dem Beikoststart auch scharf gewürzte Gerichte bekommen und diese auch gut vertragen und gut zu sich nehmen können.
Wo heute hier in Deutschland Kinderärzt:innen sagen würden: Das geht auf keinen Fall, Sie können Ihrem Kind nicht mit Chili gewürzte Essen anbieten. Und es gibt Kulturen, in denen ist es üblich, mit Gemüse zu starten. Es gibt Kulturen, in denen ist es üblich, mit Fisch zu starten, mit Fleisch zu starten, mit mehr Gemüse zu starten, mit Ölen, mit Gewürzen, ohne Gewürze, püriert, als Fingerfood, aus dem Mund der Eltern gefüttert. Es gibt kaum etwas in Sachen Beikoststart, was es nicht gibt.
Auch das Alter, in dem Kinder anfangen zu essen, ist von Kultur zu Kultur sehr verschieden. Manche Kulturen fangen schon nach wenigen Wochen an, Babys nicht ausschließlich Milch zu füttern. Andere stillen ihre Kinder fast ein Jahr ausschließlich.
Und die Empfehlungen, die wir hier in Deutschland bekommen – und auch im deutschsprachigen Raum, in Österreich und in der Schweiz – sind Empfehlungen, die für unseren Kulturraum sozusagen gemacht wurden, von verschiedenen Expert:innen, die quasi versucht haben, aus unterschiedlichen Studienergebnissen, aber auch aus kulturellen Prägungen heraus so etwas wie eine Leitlinie zu entwickeln. Zu sagen: Wer es so macht, macht es zumindest schon mal nicht ganz falsch.
Ja, und dann wird auf solche Dinge geschaut wie: In welchem Alter gehen möglicherweise irgendwann die Eisenspeicher zur Neige? Wann brauchen Kinder Eisen? Wann brauchen Kinder bestimmte Nährstoffe? Wie können wir sicherstellen, dass die alle Kinder bekommen? Das heißt aber nicht, dass jedes einzelne Kind mit fünf oder sechs Monaten so essen muss, wie es in irgendeinem Plan oder einer Empfehlung steht, weil es sonst ein gesundheitliches Problem bekäme.
Kinder sind sehr verschieden, und so wie Kinder auf der ganzen Welt unterschiedlich gefüttert werden, werden Kinder auch hierzulande unterschiedlich in die Welt des Essens starten, ohne dass darin irgendein Problem bestünde. Das heißt, die Beikostempfehlungen hierzulande sind ja auch von medizinischen Fachgesellschaften mitentwickelt worden. Sie tragen aber auch unsere kulturelle Ernährungs-DNA, dass uns gesagt wird, Karotten wären gut und Kartoffeln wären gut. Das hat einfach auch etwas damit zu tun, dass in unserem Kulturkreis über lange Zeit Kartoffeln und Karotten die Grundnahrungsmittel für sehr viele Menschen waren. Das waren Lebensmittel, die fast alle Menschen in den 50er Jahren selbst in ihren Gärten angebaut haben, wenn sie Gärten hatten. Und deswegen lag es näher, damit zu starten, als mit Artischocke oder Avocado.
Das heißt aber nicht, dass euer Kind oder eure Kinder nicht genauso gut mit ganz anderen Lebensmitteln wunderbar in die Welt des Essens starten könnten. Das heißt, es gibt diese Empfehlungen, und diese Empfehlungen haben ihren Grund. Aber ihr habt auch das Recht, diese Empfehlungen so ein bisschen aus der Distanz zu betrachten. Als Hinweise zu verstehen, wie man es machen kann, und euch dann auf euren eigenen Weg zu machen und euch dabei auch von eurem Kind, von eurem Baby leiten zu lassen.
Was schmeckt ihm denn? Was macht ihm denn Spaß? Und da gibt es tatsächlich große Unterschiede. Es gibt Babys, die mögen es zum Beispiel sehr, sehr gerne, gefüttert zu werden, und sie mögen diese Konsistenz von Breien und von püriertem Obst und Gemüse. Und dann kann das ein guter Weg sein, ein Kind achtsam zu füttern und ihm so die Welt der verschiedenen Geschmäcker von Obst und Gemüse zu erschließen.
Und dann müsst ihr auch nicht strikt nach einem Plan vorgehen. Dann dürft ihr auch einfach mit Freude ein bisschen experimentieren und die Lebensmittel, die ihr ohnehin vielleicht gerade zubereitet für euch selbst, die Obst- und Gemüsesorten, die ihr zu Hause habt, je nach Saison, je nach persönlicher Vorliebe auch eben eurem Baby zugänglich machen.
Gleichzeitig gibt es auch gar nicht so wenig Babys, die mögen Breie und Püriertes nicht, die mögen diese Konsistenz einfach auch nicht und die mögen das Gefühl nicht, gefüttert zu werden. Die finden das unangenehm, einen Löffel in den Mund geschoben zu bekommen. Das fühlt sich für sie fremdbestimmt an. Diese Kinder haben oft ein stärkeres Autonomiebedürfnis. Die wollen selbst entscheiden, was sie sich in den Mund führen. Und für diese Kinder kann das eine ganz großartige Sache sein, auch mit Fingerfood ins Beikostalter zu starten, also gedünstetes Gemüse in handliche Stücke geschnitten zu haben und dann selber das greifen zu können, daran nuckeln zu können, saugen zu können, so ein bisschen mit den Kiefern oder mit den ersten Zähnchen, wenn sie die schon haben, so rumreiben zu können, dabei winzige Portionen abzulösen, dieses Geschmackserlebnis kennenzulernen und auf diese Weise das Essen zu lernen.
Das wird teilweise so ein bisschen ideologisch betrachtet, als müsste man sich entscheiden zwischen zwei Camps: Ist man das Team Beikost mit Brei oder ist man das Team Fingerfood und Baby-led Weaning? So als wären das zwei völlig unterschiedliche Konzepte, die sich in Philosophie und Haltung komplett konträr entgegenstehen und gar nichts miteinander zu tun haben. Das ist in der Form Unsinn.
Wir können unser Kind respektieren in seiner Persönlichkeit, in seinen persönlichen Vorlieben und ihm einen Mix aus beidem anbieten und schauen, worauf es besser reagiert. Und es gibt sehr, sehr viele Kinder, die mit einer Mischung aus gefüttert werden und selber essen, selber essen wollen, sehr gut zurechtkommen. Und bei manchen Kindern ist der Trend zum Fingerfood sozusagen stärker, weil die einfach da Spaß dran haben. Und es gibt andere Kinder, die lieben es eher, gefüttert zu werden – und auch das ist völlig legitim und kein schlechterer Beikoststart.
Und es ist tatsächlich auch so, dass ihr euch keine Sorgen machen müsst, wenn beim Beikoststart erst mal nur geringe Mengen im Babymagen landen. Das Zentrale beim Beikoststart ist erst mal, dass das Kind mit verschiedenen Lebensmitteln vertraut wird, die kennenlernt, Freude am Essen entwickelt und erfährt, dass Essen genussvoll ist, gemeinschaftlich ist, etwas Schönes ist. Und sozusagen der Sättigungseffekt ist dann der zweite Schritt.
Es geht beim Beikoststart – anders als viele behaupten – eben nicht darum, Mahlzeiten zu ersetzen so schnell wie möglich, sondern ihr dürft weiterhin nach Bedarf stillen oder eben auch die Flasche geben. Es geht nicht darum, dass euer Kind möglichst schnell von der Milch entwöhnt werden muss, sondern das Milchtrinken bleibt die Hauptversorgung für euer Kind im ersten Lebensjahr. Das trifft auf die meisten Kinder so zu und das ist überhaupt kein Problem, solange insgesamt einfach gegessen und probiert und Erfahrungen gesammelt wird bei den Kindern.
Und schließlich ist es so, dass ihr als Familie mit dem Beikoststart eben Gewohnheiten prägt. Das heißt, es ist wertvoll, wenn Kinder in dieser frühen Beikostphase eine große Bandbreite von Gemüse, von Obst, von gesunden, von nährstoffreichen Lebensmitteln kennenlernen – mit sehr viel Freude. Deswegen sollte die Beikost eben nicht gezuckert sein. Deswegen müsst ihr sozusagen schauen, dass nicht industriell hochverarbeitete Lebensmittel, die nicht für Babys gemacht sind, schon den Speiseplan in diesen ersten Lebensmonaten und Jahren bestimmen. Und die sollten idealerweise auch später nicht den Speiseplan bestimmen, weil es für unsere Körper einfach so wichtig ist, dass wir die ganze Nahrung mit den ganzen Nährstoffen bekommen.
Und das heißt nicht, dass irgendwelche Lebensmittel verboten oder böse oder tabu sein müssen. Natürlich dürfen unsere Kinder später in eine Welt hineinwachsen, wo sie auch mal eine Kugel Schokoladeneis genießen. Völlig klar. Aber das, was sie zu Hause kennenlernen beim Beikoststart, ist, dass eben naturbelassene, nährstoffreiche Lebensmittel schmecken und Spaß machen. Und dass wir sie ohne Druck und Stress in Gemeinschaft genießen können.
Das heißt, achtet nicht nur darauf, was eure Babys essen, achtet auch darauf, wie sie es essen und wie ihr bei ihnen seid. Wenn sie essen, versucht, nicht aufs Handy zu schauen oder parallel fernzusehen, während ihr eure Kinder füttert. Checkt euch nicht aus aus der Situation, sondern versucht wirklich, eurem Kind auch zu zeigen: Essen, das ist eine Zeit der Freude, der Verbindung. Esst selber eine Kleinigkeit, wenn ihr eure Kinder füttert, um zu zeigen: Wir machen das hier gemeinsam. Zeigt, dass es um Genuss geht, dass es um Lachen geht, dass es um Austausch geht.
Und zwingt eure Kinder niemals, mehr zu essen, als sie wollen. Essen soll für eure Kinder niemals verknüpft sein mit Druck, mit Angst, mit irgendeiner Form von Gewalt letztlich. „Du behältst jetzt diesen Löffel da drin.“ Sondern: Essen muss spielerisch sein, muss leicht sein, muss Freude machen – und es darf auch euch Freude machen. Und wenn ihr es beim Thema Beikoststart schafft, euch ein bisschen zu entspannen, dann nützt das euren Kindern ungemein, weil sie eben dann auch entspannter in die Welt des Essens starten können.
Alles Gute dafür.
Und ich freue mich, wenn ihr mehr über dieses Thema erfahren wollt, wenn ihr im Herbst mein neu erscheinendes Buch „Was Familie leichter macht“ euch mal anschaut. Da gibt es auch ein großes Kapitel zum Thema Essen und Beikoststart ohne Druck und Stress.
Das war’s für heute.
Alles Liebe,
eure Nora Imlau.
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Der Zweck dieses Artikels besteht lediglich darin, zu informieren und zu inspirieren, nicht aber, medizinische oder ernährungswissenschaftliche Ratschläge zu erteilen. Für den Fall, dass du Bedenken oder Fragen hast, empfiehlt Pumpkin Organics, eine:n medizinische:n Ansprechpartner:in aufzusuchen und sich beraten zu lassen.